Christen fürs Leben
und gegen Angst

Sechs Thesen:
Kirche und Corona-Krise

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Sechs Thesen

1. „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?“ (1 Kor 6,19)

Gott ist der Herr über Leib und Seele. Er ist der Arzt und Herr über die Natur, auch über Viren. Die körperliche Gesundheit ist nicht allein das höchste Gut. Jesus schenkt erfülltes Leben, das sofort hier beginnt, wenn wir ohne Angst leben können. Das Leben geht über den Tod hinaus. Die Erlösung liegt in der Hand Gottes. Die menschengemachte Wissenschaft kann möglicherweise das Leben auf der Erde verbessern. Sie kann aber nicht erlösen – auch nicht durch einen Impfstoff.

2. „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht!“ (Apg 18,9)

Diese Aussage, dieser Zuspruch, diese Aufforderung, hier an Paulus, steht auch an vielen anderen Stellen der Bibel. Sie ist denen entgegen zu halten, die den Menschen Angst einreden – wie das Bundesinnenministerium mit ihrem internen Papier aus dem April 2020 – und damit Politik machen. Die Aufgabe der Kirchen ist es, der Angst entgegen zu treten ohne leichtsinnig zu werden. Eine Gesellschaft, in der alle voreinander Angst haben, weil sie sich gegenseitig anstecken könnten, ist keine lebenswerte Gesellschaft.

3. „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.“ (Mt 5,13)

Die Aufgabe der Kirche ist die Verkündigung des Evangeliums von der Auferstehung der Toten und das gerade dann, wenn die Gesellschaft es besonders braucht. Die Kirche darf nicht vor einer diffusen Todesgefahr zurückweichen und ihre Türen schließen, wie dies Ostern 2020 verordnet und dann Weihnachten 2020 und Ostern 2021 vielerorts selbst verordnet geschehen ist.

4. „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“ (Mt 7,3)

Durch die Maßnahmen der Regierungen hat sich die Gesellschaft polarisiert. Mittlerweile ist das Impfen zu einem Heilsversprechen geworden, das vorgeblich „die Pandemie beenden“ soll. Die hohe Zahl an Nebenwirkungen und die bedingte Zulassung der verabreichten Stoffe macht nachdenklich und eine differenzierte Betrachtung nötig. Wenn die Kirchen und ihre Vertreter das Impfen zum Akt der Nächstenliebe erklären und alle diejenigen für unvernünftig erklären, die Fragen stellen, beteiligen sie sich an der Polarisierung. Dann werden sie Partei, schwingen sich zum Richter auf und können nicht zur Mäßigung beitragen.

5. „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6,37)

Diese Zusage Jesu Christi gilt allen Menschen unabhängig von Impf- oder Test-Zertifikaten oder einer Gewissensprüfung. Die Kirchen haben deswegen die Aufgabe, die Gottesdienste für alle zu öffnen und Wege zu finden, allen das heilsame Wort des Evangeliums zuzusprechen. Es ist heilsam für Seele und Leib.

6. „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ (Mk 9,23)

Wir fordern, dass sich die Kirche wieder der heilsamen Kraft des Glaubens besinnt und diesen über das Befolgen staatlicher Maßnahmen setzt. Dazu muss sie sich zunächst selbst aus den Fesseln der weltlichen Macht lösen und sich wieder auf die Unterscheidung der Geister besinnen.

Zur Vertiefung der Thesen

1. Einleitung

Dieser Text ist entstanden, um der allgemeinen Haltung der Kirchen zu Corona eine Gegenposition entgegen zu setzen. Wir haben unsere Argumente gut begründet, erheben aber selbstverständlich keinen Anspruch darauf, die alleinige Wahrheit zu verkünden. Die Wahrheit ist Jesus Christus. Gott selbst ist in Jesus Christus auf die Welt gekommen. Deswegen können wir Christinnen und Christen auch sagen, dass Jesus Christus die Wahrheit ist (Joh 14,6).1

Der Herr ist der Herr über Leib und Seele. Er ist der Arzt und Herr über die Natur, auch über Viren. Die körperliche Gesundheit ist nicht allein das höchste Gut. Jesus schenkt erfülltes Leben, das sofort hier beginnt, wenn wir ohne Angst leben können. Das Leben geht über den Tod hinaus. Die Erlösung liegt in der Hand Gottes.

Wir sprechen uns nicht gegen Impfungen aus, aber gegen den Zwang. Wir sind nicht gegen Schutz, aber nicht um den Preis des Lebens. Wir stehen auf gegen die Spaltung in der Gesellschaft und wollen getragen von der Kraft des Glaubens aufeinander zugehen.

Wir rufen dazu auf, diesen Text weiterzugeben, zu kritisieren, Änderungen vorzuschlagen. Wir freuen uns über Rückmeldung (auch anonym) und hoffen, einen kleinen Beitrag zu leisten, die Krise besser zu verstehen und zu überwinden.

Redaktionsgruppe „Christen fürs Leben und gegen Angst – Ungeimpfte [2] in der Nordkirche“(Stand: Dezember 2021)

2. Corona und Gesellschaft

Die Corona-Krise hat im März 2020 eine Gesellschaft getroffen, in der der Tod nicht mehr alltäglich ist. Er ist in die Krankenhäuser, Altenheime und Hospize verbannt worden und aus den Familien größtenteils verschwunden. Selbst wenn er nicht massenhaft auftritt, macht das Thema Tod Angst. Medien und Politik können den Tod und die Angst davor schüren und nutzen. Dies haben sie seit März 2020 getan.

Parallel haben die Kirchen an Relevanz verloren. Sie sind keineswegs immun gegen die Angst, aber sie wären in der Lage, ihr auf Basis der Bibel und der seelsorgerlichen Praxis entgegen zu treten. Wenn die Bundesregierung beispielsweise mit dem internen Strategiepapier des Innenministeriums aus dem April 2020 eine „Schockwirkung“ erwünscht [3], dann wäre es die Aufgabe der Kirchen, dieser Politik der Angst entgegen zu treten. Insbesondere sollten mit dem Papier bei Kindern Schuldgefühle erzeugt werden. Sie könnten potentiell Schuld am Tod der Großeltern haben, deswegen müssten sie Abstand halten. Eine solche Angst ist schädlich für die Kinder und die gesamte Gesellschaft. „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit“, heißt es dagegen beim Propheten Jesaja. [4]

Wenn wir keine Angst vor dem Tod haben müssen, heißt dies nicht, dass wir ihn fahrlässig in Kauf nehmen. Wirksame Schutzmaßnahmen müssen selbstverständlich getroffen werden. Dabei sind aber gerade die Bewohner in den Altenheimen durch die Maßnahmen der Regierung nicht geschützt worden. Pflegebedürftige sind „in der Corona-Politik auf eine Weise vernachlässigt worden, die gruseln lässt“ [5]. Auch und gerade die Kinder und Jugendlichen haben während der Einschränkungen sehr gelitten und tun es immer noch. [6]

Eventuelle Maßnahmen der Regierung müssen immer auf ihre Nebenwirkungen untersucht und gegebenenfalls angepasst werden. Dies ist nicht geschehen. Die Schäden durch „Lockdowns“ sowie andere Maßnahmen sind weder für Deutschland noch weltweit bei der politischen Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Zu nennen wären zum Beispiel fehlende Behandlungen, weil die Fälle als weniger dringlich eingestuft wurden oder die Patienten zu große Angst hatten, Arzt oder Krankenhaus aufzusuchen. [7]

Es hat in Deutschland nicht einmal einen Versuch gegeben, die Folgen der „Lockdowns“ grundlegend zu erforschen. [8] Nicht zu vergessen sind auch die Folgen für die Ärmsten der Armen weltweit. So hat eine großangelegte Studie von acht Nichtregierungsorganisationen aus acht europäischen Ländern ergeben, dass die Folgen der Maßnahmen den Entwicklungsstatus vieler Menschen um Jahrzehnte zurück geworfen haben. [9]

Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse gilt es zu berücksichtigen. So hat beispielsweise eine Vergleichsstudie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation ergeben, dass es bei Covid19 eine Fallsterblichkeit von ca. 0,27 Prozent gibt. [10] Das ist ein viel geringerer Wert als ursprünglich einmal angenommen. Zudem liegt das Durchschnittsalter der Toten offenbar etwas über der allgemeinen Lebenserwartung. [11] Eine Übersterblichkeit hat es in Deutschland im Jahr 2020 nicht gegeben [12], Corona war im ersten Jahr der Pandemie Ursache für nicht einmal vier Prozent der Todesfälle. [13] Auch dies ist bei der Bewertung der Maßnahmen zu bedenken.

3. Corona und Kirche

Die großen christlichen Kirchen in Deutschland haben sich von Beginn an den Corona-Maßnahmen der Regierung unterworfen. [14] Das Gottesdienstverbot im März 2020 wurde von den jeweiligen Kirchenleitungen weitgehend mitgetragen, Ostern 2020 fanden nur digitale Gottesdienste statt. Und ausgerechnet am Ostersonntag verkündete Bill Gates knapp zehn Minuten lang in den Tagesthemen die Impfung als Heil für die gesamte Menschheit. [15]

Die Kirchen haben sich in der Krisensituation zurückgezogen, die eigentlich eine Stärkung des Glaubens erfordert hätte.16 „Eine Kirche, die nicht zuerst die Auferstehung der Toten verkündigt, sondern schon vor einer diffusen Todesgefahr (noch dazu vorgeblich aus Gottesdiensten!) kapituliert, wird zum Salz, das nicht mehr salzt, und läuft Gefahr von den Leuten zertreten zu werden. (nach Mt 5,13: ,Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.‘)“ [17] In Psalm 23 ist es klar ausgedrückt. Dort steht: „Der HERR ist mein Hirte.“ Nicht der Staat gilt Christen als Vater, sondern Gott.

Von anderer Seite betrachtet kann die Reaktion der Kirchenleitungen als „stille Apokalypse“, als „Offenbarung des bestehenden Chaos“ verstanden werden, nämlich dass die Kirchen nur noch eine „bescheidene Nischenexistenz in unseren Gesellschaften innehaben und resignierend darum wissen“. [18] Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 kamen das Grundgesetz und die Religionsfreiheit nur sehr vereinzelt zur Sprache. Stattdessen galt das, was bis heute an vorderster Stelle auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz zu Kirche und Corona steht: „Zunächst sind alle Anweisungen von staatlichen Stellen, insbesondere der Gesundheitsämter, zu beachten.“ [19]

Nach Ostern war auch das Weihnachtsfest 2020 von großen Einschränkungen und Verboten betroffen, sodass nur an verhältnismäßig wenigen Orten Gottesdienste stattfanden. Als dann kurz vor Ostern 2021 die Bundesregierung die Kirchen bat, auf Gottesdienste zu verzichten, war die Stellungnahme der evangelisch-lutherischen Nordkirche ein typisches Beispiel unter vielen. Zwar reagierten die Kirchen verschnupft, aber sie verwiesen vor allem auf ihre mannigfaltigen Hygienepläne, nach denen die Gottesdienste gefeiert würden. Und darauf, dass sie die „Pandemie und die aktuelle Situation sehr ernst“ nähmen. [20] Auch nach einem Jahr Corona-Maßnahmen passte nicht viel zwischen Kirchen und Staat, der schließlich die Bitte zurücknahm. Gottesdienste wurden dennoch auch Ostern 2021 an vielen Orten abgesagt bzw. teilweise erneut ins Netz verlegt.

4. Corona und Christen in der Kirche

Die Maßnahmen der Regierung sowie das Infektionsschutzgesetz sind seit dem März 2020 von einer Mehrheit der Menschen gut geheißen worden, auch wenn sich Maßnahmen und Gesetz regelmäßig ändern. Allerdings gibt es offenbar – unterschiedliche Umfragen sind nicht eindeutig – eine Minderheit zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Bundesbürger, die Regierung und Maßnahmen skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen. Insgesamt ist eine gesellschaftliche Polarisierung entstanden. Sie führt mittlerweile dazu, dass die zwei Hauptseiten der Diskussion – die generellen Befürworter des Regierungskurses und dessen scharfen Kritiker – kaum mehr miteinander ins Gespräch kommen können. Erleben wir eine Situation wie beim Turmbau zu Babel, als die Menschen am Ende nicht mehr miteinander reden konnten?

Seit dem Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 und insbesondere zu dem Zeitpunkt, als alle Bundesbürger sich impfen lassen konnten, wurden die Zustimmung oder Ablehnung der Impfung das entscheidende Merkmal der Polarisierung. Das heißt nicht, dass die Menschen, die sich impfen lassen, automatisch den Regierungskurs mittragen und umgekehrt. Allerdings ist gerade angesichts des verschärften Drucks auf Ungeimpfte und moralischer Appelle die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben worden. Diese Spaltung macht innerhalb der Kirchen nicht halt. Beispielsweise hatte schon im Herbst 2020 ein Interview der Kirchenzeitungen der Nordkirche, [21] das den Umgang vieler Medien mit der Krise kritisch hinterfragte, begeisterte Zustimmung wie auch heftige Ablehnung hervorgerufen. [22] Beide Seiten gehören zur Kirche, beide Seiten gilt es ernst zu nehmen.

Die Kirchen hätten die Möglichkeit gehabt, in der aktuellen Situation vermittelnd aufzutreten. Da sie aber fast überall unwidersprochen staatlichem Druck folgten bzw. diesem sogar mit ihren Handlungen vorausgegangen sind, haben sie die Spaltung innerhalb der Mitglieder verstärkt. Zum Beispiel geschah dies, als die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands auf ihrer Synode im April 2021 beschloss, sich von jeglicher Corona-Leugnung zu distanzieren, ohne diesen Begriff näher zu definieren. [23] Im November 2021 erklärte die gleiche Synode dann: „Impfen ist Nächstenliebe“ [24]. Vermittelnd ist diese Position nicht.

Auch die öffentliche Aufforderung von leitenden Bischöfen bis hin zum Papst, sich mit den neuartigen Impfstoffen behandeln zu lassen, ist alles andere als vermittelnd [25], gleiches gilt für die vielen „Impfkirchen“ im Land. [26] Dabei werden die möglichen individuellen Folgen meist relativiert oder gar ignoriert. Haben die Impfstoffe doch nur eine bedingte Zulassung und durch die fehlenden Langzeitstudien sind die Folgen der Behandlung kaum absehbar. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut als Behörde des Bundes meldet eine fortwährend hohe Anzahl an Verdachtsfällen von Impfschäden. [27]

Die neue Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland befürwortet – analog zu vielen Politikern – mittlerweile sogar eine Impfpflicht. Sie will diejenigen überzeugen, die sich nicht impfen lassen wollen und wenn diese dann immer noch nicht zustimmen, sollen sie verpflichtet werden. [28] Dabei scheint sie die massiven verfassungsrechtlichen Probleme eines solchen Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Einzelnen sowie die Folgen einer immer stärkeren gesellschaftlichen Spaltung zu ignorieren. [29]

Außer auf die Nebenwirkungen der Impfstoffe ist vor allem auch darauf zu verweisen, dass die Impfungen keinen dauerhaften Schutz bieten und eine steigende Zahl an „Impfdurchbrüchen“ zu verzeichnen sind. [30] Schließlich gibt es Stimmen wie die des Europa-Direktors der WHO, die zu Bedenken geben, dass die Impfungen gerade aufgrund diverser Mutationen die Pandemie kaum beenden könnten [31]. Auch die Autorengruppe „Thesenpapiere“ um den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Sachverständigenrats Gesundheitswegen der Bundesregierung Matthias Schrappe verweist darauf, dass die Pandemie als mehrdimensionaler Prozess zu verstehen und damit auch zu bekämpfen sei. [32]

Als Unterstützerinnen der staatlichen Maßnahmen werden die Kirchen als Anhängsel des Staates wahrgenommen. Wenn der Staat dann in die Freiheitsrechte der Menschen eingreift, ist dem der freiheitliche, demokratische Rechtsstaat und aus evangelischer Perspektive die Freiheit eines Christenmenschen entgegen zu halten, die selbstverständlich auch jeder Impfpflicht entgegen steht. Die Kirchen hätten wie bereits oben erwähnt die Aufgabe, die Menschen bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen und diejenigen zu kritisieren, die diese fortwährend mit Panikmeldungen schüren. Dies aber ist weitgehend unterblieben. [33]

5. Kirche und Gottesdienste für alle

In einer Krisensituation braucht es die Stärkung des Glaubens, brauchen die Menschen Trost und Halt. In einer solchen Krisensituation dürfen die Kirchen nicht ihre Häuser schließen und auf Distanz zu den Gläubigen gehen. Sie dürfen das Evangelium und die Sakramente niemandem vorenthalten, egal aus welchen Gründen. Eine Test- oder gar Impfpflicht als Voraussetzung für einen Gottesdienstbesuch scheidet deshalb aus. Auch dürfen die Kirchen keine Gesinnungsprüfung verlangen. „Vielmehr sind alle Möglichkeiten für den Dienst am Wort Gottes für die Menschen auszuschöpfen, deren ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten (GG Art. 4 Abs. 2).“ [34]

Die Volkskirchen gehen allerdings einen ganz anderen Weg. Sie empfehlen wie beispielsweise die Nordkirche 2G-Gottesdienste [35] oder ordnen sie gar an, wie das Erzbistum Berlin (mit je einer „3G“-Ausnahme pro Sonntag und Pfarrei). [36] Damit vertiefen sie die Spaltung durch eigenes Handeln, das vielfach über die Vorgaben der Regierungen hinausgeht. Zudem bestärken sie durch die Maßnahmen die Ängste der Gläubigen. Sie zeigen – wie die Regierung – keinen Ausweg aus diesem Teufelskreis auf. Und dann belegen sie ihr Handeln auch noch mit dem Begriff der „Nächstenliebe“, der so jedoch nichts mit dem tatsächlichen christlichen Verständnis zu tun hat. Der Samariter ist nicht hartherzig und lässt den Verletzten liegen, weil er nicht getestet oder geimpft ist, sondern hilft ihm auf barmherzige Weise.

Die Regierung und die Gesellschaft stellen den Infektionsschutz und die Impfquote über alle anderen Rechte. Dagegen braucht es die Verkündigung des Evangeliums ganz besonders. „Zum Lob Gottes gehört jetzt die Stärkung des Vertrauens in seine Schöpfung.“ [37] Das menschliche Immunsystem ist Teil dieser Schöpfung. Es ist für die Abwehr von Viren aber auch die Koexistenz mit ihnen ausgelegt und gut vorbereitet. Das Immunsystem braucht Bewegung, frische Luft, Kontakte mit anderen Menschen und vieles andere. Gerade das wird durch das Einsperren von Menschen in ihren Häusern und Wohnungen (Lockdown) verhindert. Für das Immunsystem könnten und sollten wir Gott danken und das insbesondere auch in Präsenzgottesdiensten. Denn dort hat es uns bisher hervorragende Dienste geleistet, „Infektionsherde“ waren die Gottesdienste in unseren Kirchen zu keinen Zeiten in dieser Krise.

Es ist sogar eigentlich anders herum: Der Besuch einer Kirche gehört in normalen Zeiten zur Gesundheitsprophylaxe. Die Psychoneuroimmunologie, also die Wissenschaft von der Verbindung von Psyche und Körper, hat herausgefunden, dass Personen, die regelmäßig in die Kirche gehen, geringere IL-6-Spiegel haben. Dieses proinflammatorische Zytokin Interleukin-6 hemmt bei chronischem Stress die Immunfunktionen. Insofern sollten die Kirchen sich die Studienergebnisse genau ansehen, nach denen eine lineare Beziehung zwischen der Häufigkeit des Kirchgangs und der Abnahme von IL-6-Spiegeln und Mortalität besteht. Zusammenfassend kann man sagen: Spiritualität ist wichtig, aber menschliche Beziehungen sind das wichtigste Lebenselexier. [38] Beides nehmen uns auch die Kirchen in dieser Krise.

6. Wie weiter?

Die Denkschrift der EKD „Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie“ [39] aus dem Jahre 1985 ist wegweisend und orientierend, denn darin, so der Kirchenrechtler Jörg Winter, „bekennt sich [die Kirche] zur politischen Mitverantwortung des Christen und erteilt allen Tendenzen eine Absage, dem christlichen Glauben seine politische Relevanz zu nehmen. Im Blick auf die obrigkeitsstaatliche Tradition ist wichtig, dass die Denkschrift Bedingungen und Grenzen für die Gehorsams- und Loyalitätspflichten des Bürgers gegenüber dem Staat benennt, wie z.B. die Achtung der Menschenwürde, der Religionsfreiheit und die Einhaltung von Regeln im politischen Verfahren, die den Weg zu Korrekturen offen halten und der Selbstherrlichkeit politischer Macht eine Fessel anlegen.“ [40]

Auf dieser Basis fordern wir eine kritische Reflexion der Reaktion der Kirchen auf die Krise. Eine Aufarbeitung und eine offene Diskussion zwischen denen ist nötig, die die Maßnahmen befürworten, und denen, die fortwährend Kritik leisten. Die Sprachverwirrung zwischen den beiden zweifellos nur sehr grob umrissenen Gruppen kann überwunden werden. Je früher damit begonnen wird, desto besser. Die Kirchen sollten aufmerksam zuhören, was Menschen dazu bringt, den politischen Maßnahmen gegenüber skeptisch zu sein und die Krise insgesamt in ihrer medialen Vermittlung zu hinterfragen. Schließlich könnte es sein, dass die Mehrheitsmeinung nicht richtig liegt. Auch in der Geschichte der Christenheit war von Anfang an immer wieder eine Minderheit der treibende Faktor. Die Masse, die Mehrheit hat Jesus zum Tode verurteilt. Wir können heute mit der Maßgabe an die notwendigen Diskussionen herantreten, dass der Andere, die Andere recht haben könnte. Gelingt uns das, sind wir auf dem Weg, die Spaltung zu überwinden.

Wir fordern, dass sich die Kirche wieder der heilsamen Kraft des Glaubens besinnt und diesen über das Befolgen staatlicher Maßnahmen setzt. Dazu muss sie sich zunächst selbst aus den Fesseln der weltlichen Macht lösen und sich wieder auf die Unterscheidung der Geister besinnen.

Die Evangelische Kirche selbst hat seit 1985 immer wieder die politische Relevanz des christlichen Glaubens betont. Dieser Verantwortung muss sie gerade jetzt nachkommen. Die Kirche hat demnach die Funktion eines Gewissens innerhalb des Staates. Dietrich Bonhoeffer wies auf die Pflicht der Kirche hin, „den Staat immer wieder danach zu fragen, ob sein Handeln verantwortet werden könne, d.h. als Handeln, in dem Recht und Ordnung, nicht Rechtlosigkeit und Unordnung geschaffen werden“.41Der Leib Christi ist vor dem Auseinanderreißen durch die Politik zu schützen und der Zugang zum Evangelium den Menschen nicht zu verwehren.

Wir enden diese Thesen mit der Losung für das Jahr 2022: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6,37)

Anmerkungen

1 https://www.ekd.de/Wahrheit-15618.htm

2 Wir nutzen diesen mittlerweile allgemein eingeführten Begriff im Bewusstsein darüber, dass er eine Wertung, in diesem Fall eine Abwertung ausdrücken soll. Indem wir uns dazu bekennen, wenden wir ihn für uns selbst ins Positive. Was für diesen Begriff gilt, gilt auch für andere. Eine genaue kritische Analyse der Veränderung der Sprache in dieser Zeit steht unseres Wissens noch aus.

3 Bundesministerum des Innern: Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen, S. 13, in: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid19.html

4 In der Bibel heißt es an vielen anderen Stellen „Fürchte Dich nicht“.

5 So Jasper von Altenbockum am 23. Januar 2021 in der FAZ.

6 Vgl. z.B. die Ergebnisse der COPSY-Studie (https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html).

7 https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Krebstherapie-Behandlungsverzoegerung-erhoeht-Sterberisiko-deutlich-414474.html

8 Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln fragte sich in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung im Oktober 2020, ob sich überhaupt jemand dafür interessiere, ob die Maßnahmen wissenschaftlich begründet waren (https://www.sueddeutsche.de/meinung/corona-debattenkultur-gastbeitrag-1.5095534)

9 https://www.die-stiftung.de/coronavirus/alliance-2015-erhebt-auswirkungen-von-corona-krise-91675/

10 https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf

11 In Hamburg betrug es laut eines Rechtsmediziners 83 Jahre: https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/infektionskrankheiten/coronavirus/hamburger-corona-tote-im-schnitt-83-jahre-alt-769905.html

12 https://rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/studie-der-uni-duisburg-essen-geringere-sterblichkeit-2020-trotz-corona_aid-63699179

13 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/11/PD21_505_23211.html

14 Das führte so weit, dass manche Kirchen sogar Parolen wie „Jesus würde Maske tragen“ verbreiteten (z.B. (https://www.lutherjakobi.de/file/946132).

15 https://www.youtube.com/watch?v=fg8bSv1TQow , Minute 13:08 -22:24

16 Dies kritisierte im Sommer 2020 u.a. der Philosophieprofessor Markus Gabriel aus Bonn (Online-Forum der Nordkirche am 31.08.2020 „Richtig handeln in unsicherer Lage“). Er sprach sich für eine größere mediale Präsenz der Kirche aus sowie für das Einklagen der Religionsfreiheit. Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=4W7O99-KGvI

17 Martin Michaelis, Soll das Lob Gottes wegen der Infektionsgefahr digitalisiert werden? (http://www.thueringer-pfarrverein.de/neu/index.php/downloads?task=download.send&id=109&catid=6&m=0)

18 Julia Lis/Michael Ramminger, Kirche und Corona. Eine Kritik (https://www.itpol.de/wp-content/uploads/2020/10/CoronaundKirche.pdf)

19 https://www.dbk.de/themen/coronavirus/

20 https://www.mopo.de/hamburg/verzicht-auf-praesenz-gottesdienste-an-ostern-so-reagieren-die-kirchen-in-hamburg-38214228/

21 https://www.evangelische-zeitung.de/unfassbar-einseitig/

22 https://www.evangelische-zeitung.de/harte-kritik-und-begeisterte-zustimmung/ und https://www.evangelische-zeitung.de/starke-abhaengigkeit-oder-sachliche-argumente/

23 https://www.ekmd.de/asset/6fiiIJlvRG6_GzWdA0xcfQ/ds-13-2-2-b-corona-krise.pdf?ts=1618748402002

24https://www.ekmd.de/aktuell/projekte-und-aktionen/impfen-ist-naechstenliebe/; in die gleiche Richtung gehen Aussagen z.B. von der evangelischen Pfarrerin Ilka Sobottke im „Wort zum Sonntag“ in der ARD (https://www.evangelische-zeitung.de/pfarrerin-erhaelt-hassmails-nach-impf-plaedoyer-beim-wort-zum-sonntag/) oder die von Bischöfin Kirsten Fehrs (https://www.ndr.de/kirche/Impfen-ist-Zeichen-der-Naechstenliebe,fehrs220.html).

25 https://www.domradio.de/themen/corona/2021-04-30/ausdruck-konkreter-naechstenliebe-bischoefe-und-religionsvertreter-rufen-zum-impfen-auf

26 Z. B. https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/corona-gottesdienst-kirche-impfung-102.html

27 https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/sicherheitsberichte/archiv-berichte.html

28 https://www.evangelisch.de/inhalte/193303/23-11-2021/ekd-ratsvorsitzende-plaediert-fuer-impfpflicht-jetzt-draengt-die-zeit

29 Vgl. https://www.evangelisch.de/inhalte/190539/10-09-2021/corona-verfassungsrechtler-warnt-vor-nachteilen-fuer-ungeimpfte

30 Vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-25.pdf?__blob=publicationFile, S. 23

31 https://orf.at/stories/3228102/

32 https://www.schrappe.com/ms2/index_htm_files/thesenpapier_adhoc4_211128_endfass.pdf

33 https://www.publik-forum.de/menschen-meinungen/corona-haben-die-kirchen-versagt: Im Pro und Contra der Zeitschrift Publik Forum fällt auf, dass es zu Klaus Mertes klarer Kritik in diese Richtung keine Gegenposition gibt, sondern es der Gegenposition zu Mertens nur um eine Lebendigkeit der Kirchen mit ihren vielfältigen alternativen Ideen seit Beginn der Krise geht.

34 Martin Michaelis, Soll das Lob Gottes wegen der Infektionsgefahr digitalisiert werden? s.o.

35 https://www.nordkirche.de/fileadmin/user_upload/Corona_Dokumente_und_Fotos/Corona_November_2021/2021.11.24_HandlEmpf_Corona_K1.pdf, S. 5

36 https://www.erzbistumberlin.de/fileadmin/user_mount/PDF-Dateien/Erzbistum/2021_Rundschreiben15_Advents-und_Weihnachtszeit.pdf

37 Michaelis, Soll das Lob Gottes…, s.o.

38 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-082015/koerper-und-seele-im-zwiegespraech/

39 https://www.ekd.de/evangelische_kirche_und_freiheitliche_demokratie.htm

40 https://www.bibelwissenschaft.de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/wirelex/sachwort/anzeigen/details/kirche-staat/ch/9b76acab5c1ed93d4c71b293d4ae7263/

41 http://www.geschichte-bk-sh.de/fileadmin/user_upload/BK_im_Reich/Die_Kirche_vor_der_Judenfrage.pdf